Die Erntegrade des Tees
Erntegrade des Tees sind ein entscheidender Faktor für die Qualität und den Geschmack des endgültigen Getränks. Diese Grade bezeichnen den Zeitpunkt der Teeblatternte sowie deren Größe und Beschaffenheit. Von den zarten Blattknospen bis hin zu den kräftigen Blättern ergeben sich aus den verschiedenen Erntegraden vielfältige Teevariationen, die den individuellen Geschmack und die Vorlieben der Teeliebhaber ansprechen.
Tee wird in unzähligen Sorten und Zubereitungsformen überall auf der Welt getrunken, im Umfang von tausenden Tonnen produziert und ist im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden, mit dem ein Milliardengeschäft verbunden ist. Bei schier unendlichen Produktionsmengen, die nur in einer begrenzten Anzahl von Ländern hergestellt werden können, überrascht es, dass Tee noch immer hauptsächlich von Hand gepflückt und verlesen wird. Bei der Qualität des fertigen Produkts spielen nicht nur das Anbaugebiet und die Art der Verarbeitung eine Rolle, sondern auch der Zeitpunkt der Ernte, der manche Sorte zu einem hochpreisigen Prestigeprodukt macht.
Erntegrade des Tees – Die Ernte des Tees
In aufwendigen Arbeitsgängen werden die immergrünen Teepflanzen der Gattung Camellia sinensis in regelmäßigen Abständen kontrolliert und auf ihr Wachstum und die Entwicklung der Blätter hin untersucht, um den bestmöglichen Zeitpunkt der Ernte zu bestimmen. In der Berufssparte der Teepflücker sind hauptsächlich Frauen beschäftigt, die in unermüdlicher Kleinstarbeit jede einzelne Pflanze auf reife Blätter untersuchen. Nur maximal sechs der jüngsten Blätter werden pro Pflückung entnommen, was einer Gesamtlänge des Zweiges von fünf Zentimetern entspricht. Hochqualitativer Tee wird hingegen ausschließlich nach der Vorgabe „two leaves and a bud“ geerntet, was bedeutet, dass die Pflückerinnen von jedem Zweig nur die beiden jüngsten Blätter und die Blattknospe ernten. Je jünger und frischer die Blätter sind, desto feiner und aromatischer wird der Tee, der aus ihnen hergestellt wird. Erfahrene Teepflückerinnen erzielen pro Tag Ernteergebnisse von dreißig Kilogramm Teeblättern, aus denen bis zu sieben Kilogramm fertiger Tee hergestellt werden können. Diese aufwendige Handarbeit ist sehr teuer und nimmt etwa fünfzig Prozent der gesamten Herstellungskosten des Tees in Anspruch. Die Produzenten nehmen diese Kosten jedoch in Kauf, denn nur durch Handpflückung kann die Qualität, die der Konsument verlangt, sichergestellt werden.
Erntegrade des Tees – Strenge Regeln der Pflückung
Nach dem Prinzip des „Two leaves and a bud“ konzentrieren sich die Arbeiterinnen auf die jüngsten Triebe jeder Pflanze. Um das bestmögliche Aroma zu gewährleisten, müssen die Pflanzen in regelmäßigen Abständen genau kontrolliert werden und die Blätter je nach geographischer Lage des Anbaugebiets alle zehn bis vierzehn Tage geerntet werden. Die Teepflückerinnen mit der längsten Berufserfahrung garantieren, dass die richtigen Pflückintervalle genau eingehalten werden, indem sie das Wachstum und die Entwicklung sowie das Aussehen der Blätter in ausgedehnten Rundgängen über die Plantagen genauestens beurteilen, um sicherzustellen, dass Triebe mit pflückbaren Blättern in der eingeplanten Zeit nachwachsen können. Der Wachstumsrhythmus kann sich von Anbaugebiet zu Anbaugebiet, und oft auch von Pflanze zu Pflanze stark unterscheiden. Durch die klimatischen Bedingungen zu unterschiedlichen Jahreszeiten ändern sich daher auch die Intervalle der Pflückung. Da Teepflanzen meist in Höhenlagen kultiviert werden, wo sie zwar direktem Sonnenlicht ausgesetzt sind, jedoch auch kühlere Wetterbedingungen vorfinden, wachsen sie deutlich langsamer als die Vegetation in niederen Gebieten. Dies erleichtert den Pflückerinnen, zu beurteilen, wann die für die Teeproduktion geeigneten Triebe voll entwickelt sind.
Die Erntezeiten von Tee
In Indien, China, Nepal und Japan, den bedeutendsten Ländern der Produktion hochwertiger Sorten dauert die Ernte der Teeblätter von den frühen Monaten des Frühlings bis in den Spätherbst. Die unterschiedlichen Wettereinflüsse, vor allem der Grad der Sonnenstrahlung und Feuchtigkeit sowie die stark schwankenden Temperaturen sind wichtige Faktoren für Entwicklung der Teeblätter. Der Zeitpunkt der Pflückung entscheidet über den Gehalt der Aroma- und farbstoffe in den Blättern und in weiterer Folge das jeweilige Trinkerlebnis.
Jede Erntezeit bringt Teesorten hervor, die sich im Geschmack, Duft und der Farbe des Getränks stark unterscheiden. Die Erntegrade bezeichnen jedoch nicht die Qualität, sondern lediglich den Zeitpunkt der Pflückung und die daraus resultierenden Eigenschaften der Teeblätter. Letztendlich spielen die Erntegrade vor allem bei der Wahl des individuell bevorzugten Tees eine Rolle. Abhängig von der jeweiligen Jahreszeit der Pflückung ergeben sich bei den hochwertigen Sorten aus Indien und Asien Tees von herausragender Qualität, die durch den wetterbedingten Anteil an Inhaltstoffen der Blätter von zartblumigen bis nussig-kräftigen Aromen für jeden Geschmack das richtige Getränk hervorbringen. Abhängig davon, ob die Blätter im Frühling, Sommer oder Herbst geerntet werden, erhalten die Tees die Beinamen „First Flush“, „Second Flush“ und „Autumnals“. Obwohl diese Bezeichnungen hauptsächlich mit hochwertigem Schwarztee aus den indischen Provinzen Assam und Darjeeling verbunden werden, finden sich diese auch in der Herstellung von grünem, gelbem und weißem Tee, die sich vom Schwarztee lediglich durch den Grad der Fermentierung unterscheiden. Die aus Asien stammenden Tees der Frühlings-, Sommer- und Herbsternte werden hauptsächlich unter den Bezeichnungen „First Crop“, „Second Crop“ und „Third Crop“ gehandelt.
In anderen bedeutenden Ländern des Teeanbaus, deren Gebirgslagen näher am Äquator liegen, kann der Tee wegen kaum wechselnder Wetterbedingungen das ganze Jahr über geerntet werden. Daher kennt die Teeproduktion in Ländern wie Java, Brasilien oder Kenia keine Unterschiede der Erntegrade, wie sie etwa in Indien, China und Japan für die Bezeichnung von Tee verwendet werden.
Eine Kostbarkeit: Der First Flush
Die erste Pflückung des Jahres erfolgt im Frühling und bringt den unter dem Namen „First Flush“ hochbegehrten Tee der beliebten indischen Sorten Assam und Darjeeling hervor. Die Ernte findet je nach Wetterbedingungen von Ende Februar oder Anfang März bis Mitte April statt. First Flush besteht aus den ersten frischen Trieben, die die Pflanzen nach dem Winter entwickeln. Durch das langsame Wachstum während der kalten Winterpause von Dezember bis Februar ist die Ausbeute der Blätter noch relativ gering, was den hohen Preis von Tee, der als First Flush bezeichnet wird, erklärt. Die nur wenige Wochen dauernde Ernte erfordert sorgfältige Arbeit, Planung und anschließende Verarbeitung. Für hundert Gramm Darjeeling beispielsweise müssen die Pflückerinnen etwa zweitausend junge Triebe ernten. Dieser Frühlingstee zeichnet sich vor allem durch den blumigen Duft der Blätter und einen hohen Gehalt an Mineral- und Gerbstoffen aus, weshalb er unter Teeliebhabern besonders begehrt ist. Der Aufguss ist von hellgelber Farbe und weist einen natürlichen Gehalt an feinen Bitterstoffen auf, der ihm einen einzigartig frischen und milden Geschmack verleiht. Als bekanntester der Teesorten der First-Flush-Pflückung gilt Schwarztee unter der Bezeichnung Darjeeling, der nicht nur unter leidenschaftlichen Teeliebhabern hochbegehrt ist. Als hochwertigster und feinster Grüntee unter den First Flushes gelten hingegen die Sorten, die auf Kyushu, der drittgrößten japanischen Insel kultiviert werden. Den besten Grüntees der Frühlingsernte wird ein einzigartiger Geschmack nachgesagt, der an den Duft von Orchideenblüten und das Aroma von Kastanien erinnert.
Allen Teesorten der Frühlingernte ist gemeinsam, dass sie nach einem sorgfältigen Umgang während der Zubereitung verlangen. Kochendes Wasser hemmt die vollständige Entfaltung der zarten Aromastoffe ebenso wie ein hoher Kalkgehalt. Sowohl First-Flush-Schwarztee als auch in den Frühlingsmonaten geernteter Grüntee sollte ausschließlich pur und ungesüßt getrunken werden und verträgt zur Aromatisierung lediglich etwas frisch gepressten Zitronensaft.
Um das zarte Aroma dieses kostbaren Tees so schnell wie möglich zum Konsumenten zu bringen, werden die fertigen Produkte aus Indien und Asien per Flugzeug in die Länder der ganzen Welt transportiert. Dieser sogenannte Flugtee hat durch die limitierten Produktionsmengen und den teuren Transport natürlich seinen Preis. Schon im 19. Jahrhundert waren die Teehändler bemüht, den First Flush aus Darjeeling und Assam als ersten Tee der Saison so schnell wie möglich zum Teetrinker zu transportieren. Im Gegensatz zum heutigen Flugtee, der binnen weniger Stunden im Zielland eintrifft und dort an die Händler geliefert wird, wurden einst Teeklipper-Rennen von Indien und Shanghai aus veranstaltet, wodurch der zarte Tee nach über drei Monaten in London ankam und dort gewinnbringend versteigert wurde. Heute können die Konsumenten das frische Aroma des First Flush jedoch deutlich ausgeprägter genießen, da es nicht unter monatelangen Lagerzeiten zu leiden hat. Als besondere Köstlichkeit unter den First Flushes gilt der sogenannte „First Invoice“ oder „First Pick“, der die erste Lieferung der Frühjahrspflückung bezeichnet. Dieser ist unter Kennern für seine herausragende Qualität bekannt und wird als kostbare und hochpreisige Ware gehandelt.
Die Sommerernte des Second Flush
Die Sorten des sogenannten Second Flush werden je nach Wetter in der Regel zwischen Mitte Mai und Ende Juni, manchmal auch bis in den Juli hinein geerntet. Die feinen Bitterstoffe, die in den jungen Trieben des First Flush vorhanden waren und einen frisch-blumigen Aufguss ergeben, hat die Pflanze im Zuge des Wachstumsprozesses abgebaut. Dafür sind die sommerlichen Second Flushes vor allem wegen ihres kräftigen und vollmundigen Aromas und der intensiven Farbe, die im Falle von Schwarztee in einem tiefen Bernsteinton erscheint, bei Teekennern beliebt. Nicht nur Schwarztee begeistert als Second Flush durch nussige Noten und einen angenehm süßlichen Charakter, der sich hervorragend dazu eignet, mit Milch und Zucker intensiviert zu werden. Auch Grüntees aus Darjeeling, China, Nepal und Japan, die als Second Flush oder Second Crop in den Sommermonaten geerntet werden, bestechen durch herb-pikante und fruchtige Noten und einen ausgereiften Charakter, der sich deutlich vom frischen und zarten Körper des Frühlingstees abhebt und durch eine tiefgrüne bis goldene Farbe auffällt. Der vollmundige und nussige Geschmack ist auf die lange Wachstumsperiode und die intensive Sonneneinstrahlung der frühen Sommermonate zurückzuführen. Als der berühmteste Second Flush gilt der schwarze Darjeeling wegen seines einzigartigen Muskat-Aromas, der diese Sorte zu einem der begehrtesten Tees überhaupt macht. Viele Teeliebhaber ziehen den vollmundigen Second Flush Darjeeling dem „grasigen“ Geschmack des kostbaren First Flush vor.
Die Herbst- und Zwischenernten
Die in den Provinzen Assam und Darjeeling im Herbst gepflückten Sorten werden als „Autumnals“ bezeichnet und ähneln im Hinblick auf Geschmack und Tassenfarbe den First Flushes. Sie werden zwischen Oktober und Dezember nach dem Abklingen des Monsunregens geerntet und weisen durch ihren geringen Gehalt an Gerbsäure ein im Vergleich zum First Flush leichteres Aroma auf, das von zartbitteren Noten begleitet wird und sich perfekt zur Aromatisierung mit Milch und Honig eignet. Der späten Pflückung haben die Autumnals eine lange Phase des Wachstums und daher ein vollentwickeltes Aroma und einen mild-würzigen Duft zu verdanken. Im Herbst geerntete Schwarz- und Grüntees gelten durch die Mischung unterschiedlich gefärbter Blätter als die buntesten Sorten und ergeben einen leicht süßlichen und angenehm vollmundigen Aufguss.
In Indien bezeichnet man die Schwarztees der Zwischenernten als sogenannte „In-betweens“, die von Ende April bis Ende Mai gepflückt werden. Zur Zeit der In-betweens müssen die Pflanzen in regelmäßigen Abständen geerntet werden, damit die Sträucher nicht zu hoch wachsen und die gleichbleibende Qualität der Second Flushes und Autumnals gewährleistet wird. Die In-betweens kommen an das Aroma der Haupternten zwar nicht heran, stellen aber wichtige Zutaten für beliebte Teemischungen dar.